Übung B4 „Zügelhilfe“

Allgemein Zügelhilfe

Zusätzlich zum Zügel kennen wir noch folgende Reiterhilfen:

  • Schenkel (Sporen, Gerte)
  • Stimme
  • Sitz (Gewicht, Spannung, Bewegung)

Mit der Schenkelhilfe haben wir uns bereits auseinander gesetzt. Nach dem Schenkel ist der Zügel die wichtigste Hilfe – für manche Reiter sogar generell die wichtigste Hilfe. Aber genau daraus ergeben sich oft Probleme beim Reiten. Ein feste Hand, zu viel Zügel, zu häufiger Zügeleinsatz führen zu einer gehemmten Bewegung und oft auch zu Verspannungen. Dies gilt nicht nur beim klassischen Reiten, auch beim Westernreiten wird sehr oft mit zu viel oder zu schneller Hand geritten. Die Verbesserung der Zügelhilfe muss an beiden Enden des Zügels stattfinden: Nicht nur das Pferd soll geschult werden, auch die Reiterhand bedarf einer ausreichenden Schulung, um entsprechend feinfühlig zu sein.


Bild Zügelhilfe
Zügelhilfe – GFH Sandhya als 4-Jährige

Welche Einwirkung hat das Gebiss auf das Pferd:

  • Zunge
  • Gaumen
  • Maulwinkel/Zug nach hinten
  • Maulwinkel/Zug oder Druck seitlich
  • Zahnlücke (Distema)/Unterkiefer
  • Unterkiefer außen
  • Genick

Der Zügel kann zusätzlich noch auf den Hals einwirken, dies nennt man Neck-Reining.

Wir verfolgen wieder einen ähnlichen Weg wie bei der Schenkelhilfe. Wie reagiert ein junges Pferd auf den ersten Zügelzug? Habt ihr das schon mal beobachten dürfen?  Ich schon. Ja, wirklich. Und was passiert da? Ich habe bis jetzt verschiedene Reaktionen beobachtet. Von nur einfach das Unterkiefer nach unten klappen, über Maul aufmachen, bis hin zu heftigeren Reaktionen wie Kopfschütteln, hoch reißen des Kopfes, usw. Die meisten Pferde versuchen auch, die Trense auszuspucken und mal darauf zu beißen. Das ist alles ganz normal und das Pferd gewöhnt sich sehr schnell an den Fremdkörper in seinem Maul. Hört sich jetzt alles etwas negativ an, aber ich bin trotzdem von der Trense im Maul als Kommunikationsmittel überzeugt.  Das „Warum“ dazu gibt’s später im Text. Jetzt zurück zum jungen Pferd (naja, machen auch manche Ältere). Was macht ein Pferd, wenn es eine Biene frisst? Kopf hoch, schütteln und Maul auf. Okay, umgekehrt in der Reihenfolge. Das ist also die natürliche Reaktion,  wenn ein Pferd Schmerz im Maul empfindet. Also, alles was wir vorhaben, ist ein wenig gegen die Natur vom Pferd … ja, Reiten auch.

Eine gezielte Schulung des Pferdes kann ihm aber die Bedeutung der Zügelhilfe beibringen. Dabei ist anfangs beim unerfahrenen Pferd eine Wechselspiel zwischen Annehmen und Lösen hilfreich. Dies behält aber auch mit Fortschreiten der Ausbildung eine wichtige Bedeutung. Dazu werde ich im Jungpferdetraining mehr sagen, aber auch im Basisteil wird es noch weitere Infos geben. Jetzt aber wieder zurück zu unserem eigentlichen Thema.

Was haben wir eigentlich vor? Was möchten wir, wenn wir den Zügel aufnehmen? Wie sieht die perfekte Reaktion auf den Zügel aus?

Diese Frage führt auf meinen Kursen meist zu einer wilden Diskussion. Natürlich gibt es dazu verschiedene Ansichten. Da kommen meist sehr schnell Wörter wie „nachgebend“ und „durchlässig“ ins Spiel. Wollen wir ein durchlässiges oder ein nachgebendes Pferd?

Kommt immer darauf an, wie wir das sehen. Aber ich möchte ein Pferd, das durchlässig ist und den Zügelzug durch seinen Körper bis in die Zehenspitze des Hinterbeins wirken lässt. Ich stelle mir dabei einen schönen Übergang von einem flotten Galopp in eine Galopp-Pirouette vor, oder auch vom Trab in eine Piaffe. Natürlich gibt es auch im Westernreitsport tolle Beispiele, wie einen Sliding Stop mit einem schönen Backup auf einen weich einwirkenden Zügel, oder eine harmonische Speed Control, die auch über den Zügel geritten sehr schön aussehen kann.

Was möchte ich dabei nicht? Ein Pferd, das gegen den Zügel drückt oder hinter den Zügel geht. Zu viel Nachgeben ist für mich ein Kopf, der sich hinter der senkrechten Linie befindet, also überzäumt ist.

Beides, sowohl gegen den Zügel drücken, also auch das Überzäumen, ist eine Reaktion auf zu heftigen Zügeleinsatz. Das Pferd versucht sich entweder vor dem Schmerz zu schützen, oder sich diesem zu entziehen.

Wir wirken mit der Hand über den Zügel und das Gebiss auf die Zunge des Pferdes ein. Ich denke, jeder kann an seiner eigenen Zunge spüren, wie empfindlich diese ist. Dementsprechend sollten wir auch respektvoll damit umgehen. Um ein Pferd an die Hand zu reiten, sollte ein Großteil der Wirkung des Gebisses auf die Zunge übertragen werden. Über die Zunge kann das Pferd die Bewegungen der Reiterhand spüren.

Die Zunge gibt dabei eine Rückmeldung über den Spannungszustand im Pferd und über die Zunge kann man direkt auf die Muskulatur des Pferdes einwirken. Aus diesem Grund eignet sich ein Gebiss, insbesondere eine Trense, sehr gut, um mit dem Pferd zu kommunizieren, wenn diese Kommunikation beidseitiges Verständnis beinhaltet. Die Zunge ist über die Faszien mit der Halsmuskulatur verbunden und gibt sowohl Signale, als auch Verspannung, an diese weiter. Dies können wir auch selbst nachvollziehen: Wenn wir unsere Zunge an den Gaumen pressen, spüren wir, wie sich auch die Halsmuskeln mit anspannen. Genau dies passiert auch beim Pferd. Versucht sich das Pferd also durch das Anspannen der Zunge vor Schmerzen zu schützen, verspannt sich auch die Halsmuskulatur. Da ein Teil der Halsmuskulatur zur vorderen Schultermuskulatur gehört, ist diese sehr wichtig für die Bewegung. Eine Verspannung dieser Muskulatur bedingt durch das Festmachen der Zunge führt somit auch zu einer Verhaltenheit in den Gängen. Natürlich kann über entsprechende Gebisse dieses Anspannen der Zunge verhindert werden, dann aber kommt es meistens zu einem starken Überzäumen und auch dieses schränkt die Bewegung der Hals- und Schultermuskulatur ein. Um sich tragen zu können, sollte das Pferd den Hals leicht vorspannen – dies sieht man deutlich an einer leichten konvexen Wölbung, auch am losen Zügel. Diese Spannung überträgt sich aber auch auf die Zunge. Ist eine leichte Anspannung der Zunge für das Pferd schmerzhaft, wird das Pferd eher ungern anfangen, sich zu tragen. Auch bei Gebissen, die vermehrt über das Unterkiefer wirken, wird das Pferd nicht an den Zügel gehen.

Oft beobachte ich auch ein links-rechts Ziehen am Zügel, häufig auch fälschlicherweise als „Parade“ bezeichnet. Dies führt ebenfalls zu einem Überzäumen, aber keinesfalls zu einer Versammlung oder ähnlichem.

Allgemein wird eine Versammlung nicht alleine durch den Zügel hergestellt, vielmehr ist eine gute Versammlung ein Zusammenspiel mehrerer Hilfen – im Falle der klassischen Versammlung von Schenkel, Sitz und Zügel.

In unserer ersten Übung zu diesem Kapitel versuchen wir eine Benchmarkübung zu definieren, an der man die Qualität der Zügelhilfe beurteilen kann.

B4-1 Reaktion auf den Zügel

Ein durchlässiges Pferd sollte folgendermaßen auf einen weich einwirkenden Zügel reagieren.

  1. Aufmerksamkeit (Ohren)
  2. Aufnehmen der Trense 
  3. Leichtes Nachgeben im Genick, Hals wird dabei leicht unter Spannung gebracht
  4. Heben des Brustkorbs,
  5. Aufwölben des Rückens und Abkippen des Beckens
  6. Hankenbeugung
  7. Rückwärts

Vorausgesetzt, dass unser Pferd den Zügelzug kennt, nehmen wir anfangs aus einer stehenden Position den Zügel langsam auf, bis das Pferd nach hinten weicht. 


Dies ist unsere Benchmarkübung, mit der wir die Qualität der Hilfe messen. Wichtig ist dabei, dem Pferd Zeit zu geben und den Zug vom losen Zügel langsam, anfangs sehr langsam, zu erhöhen. Wenn wir dem Pferd genug Zeit geben und das Pferd durchlässig ist, werden wir spüren, wie der Zügelzug langsam durch den Körper des Pferdes wandert.

Eine Reaktion mit Widerstand oder hohem Kopf ergibt sich oft aus einer zu schnellen Reiterhand. Fällt es dir schwer, gleichmäßig langsam deine Hände nach hinten zu nehmen, dann versuche immer nur 2 cm, und lege dann wieder eine kurze Pause von 1-2 Sekunden ein.

Meist bringt ein mehrmaliges Wiederholen bereits eine deutliche Verbesserung.

Wenn der Zügel langsam genug angenommen wird, können wir sehr gut beobachten, wann und in welchem Bereich das Pferd mit Widerstand reagiert. Meist liegt das Problem im Bereich der Schulter oder des Rückens. In beiden Fällen ist es wichtig, auch zu überprüfen, ob der Sattel passend ist.

Manche Pferde reagieren auch bedingt durch eine schlechte Vorgeschichte mit Widerstand auf den Zug an beiden Zügeln. In diesem Fall versuche Übung B4-2.

Problemlösungen:

Klappt diese Übung nicht, geht’s erst mal weiter mit Übung B4-2.

Hebt das Pferd den Rücken nicht oder zu wenig, verwenden wir Übung B4-4.

Stockt das Pferd in der Bewegung, oder nimmt es den Kopf hoch: Übung B4-3

Macht sich das Pferd beim Annehmen des Zügels fest: Übung B4-8 

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